Dienstag, 15. März 2016

Carretera Austral



Carre... was??? Carretera Austral – die Straße schlechthin in Chile. Für die meisten Chilenen endet Chile gen Süden hinter Puerto Montt  - die Carretera Austral beginnt hier allerdings erst. In Zahlen sind das 1200 km durch Patagonien inmitten feinster Natur. Hier hatten wir die schönsten Stellplätze unserer gesamten Reise und haben am Ende mehr Zeit verbummelt als ursprünglich geplant.

Start war Puerto Montt, wo Lo mal wieder ordentlich neue Klamotten abgestaubt hat. Die Vorräte waren randvoll gepackt, der Tank und beide Reservekanister voll... worauf also warten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass die kostenlose heiße Dusche, die wir kurz vor Puerto Montt auf einer Raststätte hatten, die letzte richtige Dusche für die nächsten Wochen sein würde (ein Hoch auf die vielen Seen, Flüsse und natürlich unsere Außendusche). Die Eitelkeit lässt hier schon ordentlich nach. Wir haben auf dieser Reise seit eh und je nur einen kleinen Handspiegel dabei und an manchen Tagen schauen wir nicht mal rein. Sogar die Haare habe ich mir hier selbst geschnitten und fand’s gar nicht mal so übel. Aber von vorn.

Bis man so richtig weg vom Fenster ist bedarf es zweier Fähren. Die erste Fähre gondelt einen in etwa 20 Minuten von La Arena nach Caleta Puelche. Von dort ist es dann noch etwa 1 Stunde auf einer eher besseren Schotterpiste bis nach Hornopirèn. Hier kamen wir erst spät am Abend an und reihten uns, da wir keine Reservierung hatten, in die bereits 150m lange Warteschlange am Fährterminal ein. Hier verbrachten wir auch die Nacht und hofften auf eine der beiden Fähren am nächsten Vormittag. Bei der zweiten Fähre klappte es dann auch und es ging 5 Stunden durch die Fjorde nach Galeta Gonzalo. Hier begann unser Abenteuer Carretera Austral anschließend erst so richtig. Die erste Nacht verbrachten wir an einem Fjord nördlich von Chaitèn.





Hier passiert es dann: Nach fast 50tsd Kilometern auf und neben der Panamericana stand der erste Reifenwechsel an, da wir uns beim Rangieren auf unserem Stellplatz einen spitzen Stein in den Reifen gefahren hatten. Binnen weniger Minuten war der Reifen komplett platt. Da unser Ersatzrad nur in plattem Zustand in die Reserveradhalterung passt, wollte ich es nun mit dem Kompressor aufpumpen, was leider nicht funktionierte. Also Ersatzrad auf die Schulter und zurück zur Straße. Hier wurde die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Chilenen und Argentinier überdeutlich. Direkt das erste Fahrzeug hielt und nahm mich mit bis nach Chaitèn. Hier wollte ich den Reifen an der einzigen winzigen Tankstelle im Ort aufpumpen, was natürlich auch nicht funktionierte. Direkt neben mir stand ein Pickup mit drei Argentiniern, die es sich nicht nehmen ließen mir zu helfen. Am Ende fuhren wir zusammen zum einzigen Reifenflicker im Ort und anschließend sogar wieder zurück zu unserem Stellplatz am Fjord. Ein großes Dankeschön an die Jungs... auch wenn ihr bei der WM nur zweiter wurdet – für mich seid ihr ganz vorn ;). Auf der Fahrt haben sie mich gefragt wie ich Messie finden würde. Ich weiß nicht ob es die Top Antwort war, aber ich sagte, das ich den Klasse finde und wie sie wohl Götze fänden. Der Applaus viel allerdings nur sehr verhalten aus ;).


Zurück am Stellplatz war das Rad schnell gewechselt. Höchste Zeit eine Feuerstelle zu bauen und Holz zu sammeln. Danach wurde es dann fast schon kitschig. Sonnenuntergang über dem Fjord – gegenüber der schneebedeckte Vulkan Corcovado, bestimmt ein Dutzend Delfine zum Teil wenige Meter vor dem Ufer und unzählige Seehunde bei der Jagd. Dazu ein schönes Feuer – soviel Wein kann kein Mensch trinken wie Patagonien schön ist.








Am nächsten Morgen ging es dann mit dem defekten Reifen nach Chaitèn zum besagten Reifenflicker. Dieser konnte den Reifen für umgerechnet 5 EUR flicken – „NO PROBLEMO“.

Zu Chaitèn und dem gleichnamigen neben dem Ort gelegenen Vulkan gibt es noch eine kleine Geschichte. Dieser vergleichsweise kleine und unscheinbare Vulkan hat 2008/09 fast den gesamten Flugverkehr in Südamerika lahmgelegt und den kompletten Ort zerstört, was tausende Rinder das Leben kostete. Aus diesem Grund sollte der Ort eigentlich umgesiedelt werden, wogegen jedoch starker Protest entbrannte. Erwähnenswert ist dies insbesondere, da dieser Vulkan bis zum Ausbruch nicht in der Liste der 125 in Chile überwachten Vulkane auftauchte.

Für uns ging es weiter südwärts bis zum Lago Rosselot nahe des Ortes La Junta. Absoluter Traumspot direkt am Seeufer – Feuerholz bis zum Abwinken. Wenn das so weiter geht kriegen wir hier ein echtes Alkoholproblem ;). Aber Spaß beiseite, wer uns kennt der weiß, dass wir Sportskanonen durch und durch sind und sehr auf unsere Ernährung achten. Aber was wir hier auf’s Leben angestoßen haben sucht schon seinesgleichen. Runa bekocht ihre Männer hervorragend - immer mit reichlich Knoblauch und der dicke Stammhalter erweitert seine Liste der bebadeten Seen und Flüsse ;). Auch hier, am Lago Rosselot haben wir nicht widerstehen können und sind noch einen Tag länger geblieben.






Am darauffolgenden Tag ging es in den Nationalpark Venitsquero Colgante, wo wir einen Trail zu einem Gletscher gelaufen sind. Ziemlich schweißtreibende Angelegenheit mit dem Dicken bergauf, aber deutlich sehenswert. Unser Nachtquartier haben wir anschließend direkt an einem Fluss etwas südlich davon bezogen. Nächstes Ziel war Puerto Chacabuco, malerisch an einem Fjord gelegen. Eigentlich wollten wir hier auch die Nacht verbringen, fanden aber irgendwie keinen geeigneten Stellplatz. Dafür gab es hier die wohl billigste Tankstelle auf der Careterra Austral mit 425 Pesos/Liter (ca. 55 Cent).




Genächtigt haben wir dann wieder an einem Fluss bevor es am nächsten Tag über Coyhaique in den Nationalpark Cerro Castillo ging. Hier stand die Besteigung eines Miradors für den Cerro Castillo an einer Lagune an. In Zahlen waren das 1000 Höhenmeter verteilt auf 8km. Zügig gegangen sind das 1:30h rauf und 50 Minuten wieder runter – die Ausblicke waren grandios. Über der Lagune sieht man einen hängenden Gletscher unter dem Cerro Castillo und hat überdies Wahnsinnsausblicke über das Tal. Wir sind sehr froh, dass es hier Natur nicht nur zum angucken, sondern auch zum „Anfassen“ gibt. Geschlafen haben wir anschließend auf einem Pass, was keine so sonderlich gute Idee war, da die Wolken hier fest hingen und es ständig regnete. Dafür gab es dort einen eigenen namenlosen Wasserfall und die kälteste Nacht seit langem.





Nächstes Tagesziel war der Ort Puerto Rio Tranquilo am Lago General Carrera. Hier wollten wir die nahen Marmorhöhlen von der Wasserseite aus besichtigen. Übernachtet haben wir daher direkt am Seeufer des Ortes, wie viele andere auch. Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Boot los. Hier hat sich deutlich gezeigt, dass Loris ein echter Hanseat ist. Umweltsicher hat er dem Steuermann den besten Weg durchs feuchte Nass gezeigt und keinen Zweifel an seinen Führungsqualitäten aufkommen lassen, welche durch seine Schwimmweste noch unterstrichen wurden ;). Die Marmorhöhlen am Seeufer des Lago General Carrera selbst waren sehr beeindruckend, insbesondere da man in einige mit dem Boot auch hineinfahren konnte.















Da der Tag im Anschluss an die Bootstour noch jung war fuhren wir noch südwärts an den Rio Baker um dort unser nächstes Nachtlager zu beziehen. Auch hier waren die Tagesdistanzen nicht sehr groß, dafür aber auf schlechter Piste zurückzulegen. Am Rio Baker gab es dann wieder alles was man braucht. Wasser, Feuerholz und eine kleine Wiese für Loris. Klar, dass es am nächsten Morgen noch die Spezial Nutella/Bananen Pfannkuchen gab, mit denen ich Runa schon einst um den Finger gewickelt hatte ;).





Von hier aus neigte sich das Abenteuer Careterra Austral langsam dem Ende zu. Zur Wahl standen zwei Grenzübergänge nach Argentinien, wobei wir uns für den Grenzübergang bei Chile Chico entschieden haben. Der Weg dorthin führt entlang des Lago General Carrera mit tollen Ausblicken auf schneebedeckte Berge. Zufällig kamen wir an einer Veranstaltung vorbei, wo junge Gauchos ihr Talent auf wilden Pferden beweisen mussten. Das war wirklich Klasse. Weit und breit keine Touristen und eine „patagonische“ Band, die für die musikalische Untermalung sorgte. Als „Schiedsrichter“ fungierten ältere Gauchos, die in toller Tracht und voller Stolz diese Tradition und Lebensweise zur Schau trugen. Stundenlang haben wir hier zugesehen und hätten es am Ende noch viel länger tun können. Einen Stellplatz fanden wir später direkt am Ufer des Lago Grande und genossen unser letztes Lagerfeuer auf der Careterra Austral, da am nächsten Tag der Grenzwechsel nach Argentinien anstand.










Was soll man zur Carretera Austral groß sagen? Für uns waren die knapp zwei Wochen hier ein absolutes Highlight gleich dem Salar de Uyuni. Ein Alkoholproblem haben wir Gott sei Dank nicht bekommen, aber süchtig macht diese Straße schon. Patagonien erinnert uns mit seiner Freiheit und Leichtigkeit sehr an Alaska und ist sicher so wie Kanada gern wäre. Wir hätten die gleiche Strecke auch wieder zurück fahren können, so gut hat es uns hier gefallen. Was gibt’s da mehr zu sagen... Das Ganze ist dringend zur Nachahmung empfohlen. Für uns geht es nun weiter durchs südliche Patagonien zunächst nach El Chalten zum Fitz Roy, bevor es dann über den Perito Moreno und den Torres del Paine NP nach Tierra del Fuego (Feuerland) ans Fin del Mundo – DAS ENDE DER WELT – geht. Es wird also nicht langweilig... so long.