Mittwoch, 13. Januar 2016

Bolivien



Kalte Nächte, gnadenlose Sonne am Tag und immer dünne Luft – wir sind in Bolivien. Im eigentlichen Sinne des Wortes der Gipfel unserer Reise. Bereits während der Vorbereitung dieser Reise hatte ich dieses Bild vom Salar de Uyuni im Kopf und wollte unbedingt auf der Lagunenroute in den bolivianischen Anden in einem Pool mit heißem Quellwasser planschen. Um es vorweg zu nehmen – beides haben wir getan.


Die Einreise absolvierten wir routiniert. Der Zöllner war zwar von der mürrischen Sorte und erklärte statt einer Begrüßung erstmal, dass er punkt 13 Uhr aufhören würde unsere Einreise zu bearbeiten, die Tür schließt und Mittagspause macht. Ein Blick auf die Uhr verriet: 12:48 Uhr – Mist! Die nächsten 12 Minuten wurden dann auch die stressigsten an diesem Tag . Am Ende ging es im Laufschritt mit Lo unter dem einen und den Papieren unter dem anderen Arm zurück zum Auto, da der Zöllner uns mittlerweile durch wilde Armbewegungen antrieb – er würde den Schlagbaum nur jetzt und auch nur kurz öffnen. So ging es mit einer kleinen Schweißperle auf der Stirn ins nahegelegene Copacabana am malerischen Titicacasee. Hier haben wir vor einem Hostal direkt am Seeufer campiert und durften für einen kleinen Obulus die Toiletten und das W-Lan des selbigen nutzen. Der Ort selbst ist ziemlich touristisch aber keinesfalls hektisch. Es gibt viele Restaurants und einen Handwerksmarkt im Zentrum. Am nächsten Vormittag haben wir noch einen kleinen Hügel mit Aussichtspunkt direkt neben dem Zentrum bestiegen und hatten von dort einen tollen Blick auf den See. Kaum zu glauben, dass dieser durch Abwasserbelastungen und Überfischung schweren Schaden genommen hat.




Vom Copacabana ging es weiter nach La Paz. Kleines Highlight dieser Fahretappe war eine kleine Fährfahrt, die mit den uns bekannten Fähren über den Nordostseekanal so gar nichts gemein hatte.






Bis La Paz, hatten wir beschlossen, würden wir auch ohne die obligatorische Kfz. Versicherung fahren, da ein Abschluss an der Grenze nicht möglich war. Zwar hatten wir von Polizeikontrollen und Bußgeldern deswegen gehört – aber es nützte ja nun nichts. In La Paz angekommen, sieht man an der Einfallstraße am Straßenrand dann gefühlt alle 500 Meter einen Sonnenschirm oder Ähnliches mit der Aufschrift „SOAT“ an denen man die obligatorische Versicherung abschließen kann – so haben wir es zumindest getan.

So, auch wenn ich im letzten Bericht über das Autofahren in Lima gemeckert habe – alles Kinderkram. Stundenlang haben wir uns durch die Straßen von La Paz gequält und sind zuletzt in einen totalen Stau geraten, nicht’s ging mehr. Den Bolivianern reichten die drei Spuren für unsere Fahrtrichtung irgendwann nicht mehr und sie haben prompt die drei Fahrspuren der Gegenrichtung mit in Beschlag genommen. Und was das mit dem Gegenverkehr anstellt, kann man sich ja ausmalen. Es wurde also richtig spät – ein Campground lohnte nicht mehr so recht und war auch ziemlich teuer, weshalb wir in einer „Wohnsiedlung“ zwischen hohen Mauern übernachteten. Hier verbrachten wir eine für La Paz überraschend ruhige Nacht bevor es am nächsten Morgen zum bei Panamericana-Reisenden bekannten Hotel Oberland ging. Normalerweise trifft man hier viele interessante Leute, was unterm Strich das deutlich nüchterne Campingareal wettmacht.

Aber es war kurz vor Weihnachten und wir waren die einzigen Camper bevor später noch Hartmut und Marion aus Heidelberg dazu stießen, die wir bereits am Titicacasee das erste Mal getroffen hatten. Von den Erledigungen, die wir auf dem Zettel hatten, ließ sich so kurz vor Weihnachten auch nicht alles erledigen. Wenigstens haben wir mal wieder vernünftig eingekauft und dem Sprinter vorsorglich einen neuen Dieselfilter aus unserer Ersatzteilesammlung verpasst. Am Nachmittag ging es dann noch auf einen Spaziergang ins nahegelegene Valle de la Luna. Das war zwar ganz nett, aber so richtige La Paz Euphorie wollte sich nicht einstellen.


Wir entschieden daher schon am nächsten Tag, dem 24.12., in Richtung Salar de Uyuni aufzubrechen. Den Heiligen Abend haben wir somit an einem See auf halber Strecke verbracht. Es wurde lecker gekocht und nen Vino gab es auch. So wirklich Weihnachtsstimmung ist bei uns dieses Jahr jedoch nicht aufgekommen. Die Häuser hier sind weder geschmückt, noch hört man irgendwo Weihnachtsmusik. Die Läden haben selbst am 24.12. geöffnet... es erscheint wie ganz beliebiger Tag. Wir haben natürlich versucht mit einer Extradosis Weihnachtsmusik (Rolf Zukowski – in der Weihnachtsbäckerei!!!) dagegen anzukämpfen, allerdings vergeblich (nur Loris hat geschunkelt :P) So haben wir nächstes Jahr ordentlich was nachzuholen und freuen uns schon drauf.






Am nächsten Morgen ging es dann endlich zum Salar de Uyuni. Darauf hatten wir uns wirklich gefreut und das Beste – es war schöner als erwartet. Man fährt bei Cotacachi auf den See und hat von dort noch etwa 70km bis zur Isla Incahuasi mitten auf dem See. Mit 80km/h sind wir über die Salzwaben gefegt... Herrlich. Wir hatten zwar ein GPS dabei, aber das braucht man nicht, da man nur einer der vielen Fahrspuren folgen muss. An der Isla Incahuasi angekommen, haben wir unser Lager in einer kleinen Bucht aufgeschlagen. Tagsüber sieht man hier viele Tourenjeeps die Touristen herbringen. Richtig schön wird es dagegen ab 18 Uhr, wenn der letzte Jeep von dannen gezogen ist und einem der See ganz allein gehört. Es herrscht totale Stille – ein herrliches Kontrastprogramm zum hektischen La Paz. Zum Sonnenuntergang sind wir auf einen Aussichtspunkt der Insel aufgestiegen und haben einen wirklich tollen Sonnenuntergang erlebt. Mit dem Untergehen der Sonne frischte der Wind plötzlich auf und wir sind mit dem Sprinter noch mal auf die Ostseite der Insel umgezogen, da wir so windgeschützt standen. Kurz nachdem die Sonne untergegangen war, ging direkt der Vollmond auf. Wir sind deutlich nicht esoterisch, aber dieser Salar de Uyuni ist ein wirklich magischer Ort. Natürlich haben wir uns den Wecker gestellt und sind am nächsten Morgen um viertel vor fünf aus den warmen Schlafsäcken gekrochen, um den Sonnenaufgang zu erleben. Nur der Dicke war mal wieder nicht wach zu kriegen. Nach dem Sonnenaufgang gab’s dann erstmal heißen Kaffee und im Anschluss noch eine zweite Fotosession – die obligatorischen Salarbilder haben wir natürlich auch gemacht. Gern wären wir noch eine weitere Nacht auf dem Salar geblieben, aber die Sonne ist auf 3.600m üNN wirklich gnadenlos, zumal das Salz die Sonne heftig reflektiert und es richtig, richtig grell ist. Wenn es hier irgendetwas so gar nicht gibt, dann ist das Schatten.
























Also ging es zurück auf das „Festland“ ins nahegelegene Uyuni. Hier haben wir uns noch mit Lebensmitteln versorgt und anschließend den Eisenbahnfriedhof besucht, auf dem wir eigentlich auch die Nacht verbringen wollten. Aber irgendwie war der Tag noch jung und der Platz ziemlich staubig/sandig, so dass wir beschlossen, die vielbeschriebenen 450km der Lagunenroute zwischen Uyuni und San Pedro de Atacama in Chile schon an diesem Tag unter die Räder zu nehmen... zumindest einen ersten kleinen Teil.









Um die Lagungenroute ranken ja irgendwie viele Mythen. Da hört man, dass die Strecke nur mit einem Allradfahrzeug befahrbar sei, dass man Unmengen an Lebensmitteln und Treibstoffvorräten mitführen müsse, da Fahrzeuge auf dieser Route locker das Doppelte verbräuchten und es unterwegs keinerlei Versorgungsmöglichkeiten gäbe. Nachts werde es bis zu -30°C kalt, da man sich permanent auf Höhen zwischen 4100m und 5000m befindet... Puuhhh!


Wir haben uns natürlich auch so unsere Gedanken gemacht, zumal wir kein Allrad und auch noch unseren kleinen blinden Passagier, mittlerweile stolze 13 Monate alt, am Start haben. Wir haben Loris natürlich im Vorfeld sehr langsam an die Höhen gewöhnt, viel langsamer als man dies als Erwachsener tun würde. Dabei haben wir ihn mit Argusaugen beobachtet, um mögliche Auswirkungen der Höhe frühzeitig zu erkennen.

Sich übrigens im Vorfeld seriöse Informationen zum Thema Baby und Höhe zu beschaffen, gelingt gar nicht so leicht. Da werden im Internet Fragen gestellt wie: „Wir wollen mit unserem 1jährigen Sohn Urlaub auf 1200m machen, verträgt er die Höhe in diesem Alter?“ Ja, was würden diese Eltern von uns halten, die wir seit vielen Wochen in den Anden unterwegs sind?! Fakt ist, das dieses Thema offensichtlich noch gar nicht abschließend untersucht ist, und aus diesem Grund vor allzu viel Veränderung eher abgeraten wird. Wir haben natürlich auch unseren Kinderarzt vor der Reise zu diesem Thema konsultiert und von ihm sozusagen „Entwarnung“ bekommen.

Also, da waren wir nun auf der sagenumwobenen Lagunenroute und unser Plan sah vor, die 450km mit drei Übernachtungen zu absolvieren und zwar auf zunehmender Höhe von 3.800m, 4.100m und 4.300m üNN. Die ersten 200km der Lagunenroute führen auf einer ziemlich guten Piste (kein Asphalt) bis kurz vor die chilenische Grenze bei Ollagüe, von wo es dann südwärts entlang der chilenischen Grenze auf die eigentliche Lagunenroute durch die bolivianischen Anden geht. Dieser Abschnitt bis zur chilenischen Grenze ist etwa 200km lang und führt über zum Teil übelste Steinpisten, Wellblechpassagen und viel Sand an traumhaften Lagunen voller Flamingos und gewaltigen Bergmassiven vorbei.




Unsere erste Nacht verbrachten wir auf halber Strecke zwischen Uyuni und dem Beginn der eigentlichen Lagunenroute, abseits der Straße im Paramó. Hier trafen wir zufällig auf Eli und Gorm, die sich mit ihrem 42 Jahre alten T2 samt dessen 50PS ebenfalls anschickten, die Lagunenroute zu befahren. Das traf sich doch super und wir verabredeten die gemeinsame Bezwingung.




Am nächsten Tag wurde es dann ernst, wir erreichten den Abzweiger, welcher uns fortan südwärts bis zur chilenischen Grenze führen würde. Wir waren vorgewarnt, dass die ersten 5-10km die anspruchsvollsten sein würden – und anspruchsvoll ist eine wirklich schöne Umschreibung. Auf diesen ersten Kilometern wurde der Sprinter schon ganz ordentlich durchgeschüttelt. Tagesziel war die vom Abzweiger aus etwa 30km entfernte Laguna Honda. Auf dem Weg dorthin passiert man weitere Lagunen voller Flamingos.






Am Südufer der Laguna Honda fand sich am Abend auch ein nettes Plätzchen für die Nacht. Der anschließende Sonnenuntergang mit seinen unglaublichen Farben war der Hammer, genauso der wenig später aufgehende Mond, der die Szenerie mystisch wirken ließ. Nach einer kalten Nacht (-6,5°C) wärmte uns am nächsten Morgen jedoch schnell die aufgehende Sonne. Tagsüber erreichten die Temperaturen dann etwa 20°C.












Die folgende Etappe führte uns an die nur 75km entfernte Laguna Colorada auf 4.300m üNN. Die Lagune schimmert in den unterschiedlichsten Farben, an vielen Stellen sogar kräftig rot, und ist von hunderten Flamingos besiedelt. Nicht verwunderlich, dass natürlich viele Tourenjeeps mit ihrer Kundschaft hier unterwegs waren. Aber wie schon am Salar, hat man die Lagune ab etwa 18 Uhr wieder komplett für sich allein, was wir dann auch für einen kleinen Spaziergang in den Sonnenuntergang genutzt haben, bevor es richtig kalt wurde. In der Nacht hatten wir etwa -10°C, aber meine beiden Blondinen hatten mit ihren Wärmflaschen im Schlafsack schön warme Füße ;). Aber auch hier wärmte die Sonne am nächsten Morgen schnell. Es scheint so zu sein, dass es ab Mittag zum Teil sehr windig wird, was dann bis etwa 21 Uhr anhält. Die Nacht und der Vormittag waren anschießend nahezu windstill.











Auf unserer abschließenden Etappe mussten wir etwa 30km südlich der Laguna Colorada noch einen kleinen Abstecher zur Aduana (Zoll) auf 5033m üNN machen. Dort oben sitzen doch tatsächlich zwei Zollbeamte und bearbeiten die Fahrzeugausreise. Warum dies nicht direkt an der Grenze bei der Personenausreise, zumindest aber auf einer christlicheren Höhe passiert, hat sich uns nicht erschlossen. Die Formalitäten waren aber schnell durch die freundlichen Zöllner erledigt und es konnte weiter gehen.






Zwischenziel war die Laguna Chalviri mit den dort befindlichen Hot Springs. Hier haben wir nach dem Mittagessen noch ein herrliches Bad in den Hot Springs direkt an der Laguna genossen. Nach dieser netten Pause war es anschließend nicht mehr weit zu den Lagunas Blanca und Verde kurz vor der chilenischen Grenzstation. Inzwischen war es Nachmittag und so ging es nach einem Kaffee und vielen Fotos fast wehmütig an die Grenze und anschließend weiter in das ca. 50km entfernte und gut 2000m tiefer gelegene San Pedro de Atacama.














Leute, diese 3 Nächte/4 Tage waren, wie schon der Salar, ein wirkliches Highlight nicht nur für Bolivien, sondern auch unserer gesamten Reise entlang der Panamericana. Unser kleiner Mountain Man hatte keinerlei Probleme mit der Höhe, weder tagsüber noch nachts. Diesbezüglich hat sich die gute Akklimatisierung bezahlt gemacht.

Die Frage, ob Allrad erforderlich ist, können wir für uns ganz klar mit „Nein“ beantworten. Der Sprinter war auf allen Streckenabschnitten mit deutlicher „Reserve“ unterwegs. Wirklich brauchbar ist allerdings Bodenfreiheit, da viele der Fahrspuren im Sand sehr tief sind und die Gefahr der Aufliegens bzw. Beschädigungen am Unterboden durch Steine o.ä. droht. Eine Straße im eigentlichen Sinne gibt es nicht, man folgt einfach einer der vielen Fahrspuren. Oft sind diese mehr als 100m breit und man sucht sich die vermeintlich Beste raus. Auf vielen Streckenabschnitten sind wir mit nur 10-20km/h unterwegs gewesen um den Sprinter zu schonen, seltener auch noch langsamer. Die Tourenjeeps sind da schon weniger zimperlich – Zeit ist halt Geld. Ständige Begleiter in diesen Tagen waren Unmengen an Sand und Staub am und im Auto. Wir haben auf den 450km etwa 50L Diesel verfahren, was einem Verbrauch von etwa 11l/100km entspricht und gemessen an der Strecke und den Vorhersagen überraschend wenig war.

Auch der 42 Jahre alte Bulli von Eli und Gorm hat die Herausforderung ohne Probleme gemeistert.

Das war’s zu Bolivien. Weiter geht’s mit Chile und Argentinien – vermutlich im wilden Wechsel.

Hasta luego...